Die Kamera als Frage

Wer ist außer Stars, Sternchen und Politikern am häufigsten im Fernsehen zu sehen? Journalisten bei der Arbeit. Fernsehen braucht Bilder, und wenn keine kraftvollen Bilder da sind, streicht die Kamera gern über die arbeitenden Kollegen. Ob in der Bundespressekonferenz oder – besonders oft – bei anderen Pressekonferenzen, wo es außer den Rednern auf dem Podium und der mitschreibenden Journaille kaum etwas zu drehen gibt. Da wird auch gern mal auf den Block gezoomt, auf dem gerade Notizen gemacht werden.

Ich bin selbst oft Motiv für diese Art der Kameraeinstellung. Aber ich bin nie gefragt worden, ob ich damit einverstanden bin. Als Pressefotografin weiß ich: keine Foto-Veröffentlichung ohne Einverständnis. Gilt das nicht für schreibende Kollegen? Sie haben nicht die Möglichkeit, sich dem Gefilmtwerden zu entziehen, denn sie sind bei der Arbeit, und wer einfach weggeht, verpasst das, weshalb er gekommen ist. Und kann seinen Job nicht erledigen.

Die Fernsehleute machen es sich einfach: Jeder, der in den Fokus der Kamera gerät und dies bemerkt, hat damit sein Einverständnis gegeben, erklärte eine TV-Kollegin. Ach so. Klar, so eine Fernsehkamera ist etwas anderes als ein Fotoapparat. Damit läuft nicht fast jeder herum, sondern nur die wahren Profis vom TV. Wer sich im Bild der Kamera wähnt, muss wissen, dass sein Bild gesendet wird. Bei Fotoapparaten ist das anders, das Bild machen ist das eine, die Veröffentlichung das andere.

So weit, so klar. Ich stelle mir nur gerade vor, wie ein Kollege der Bundespressekonferenz, der irgendwo mitten in der Reihe sitzt, hinterher dem Kameramann klar machen will, dass er nicht ins Fernsehen will. Keine Chance. Und so nehmen wir schreibenden Kollegen es weiter hin, zum Beiwerk in den Beiträgen unserer TV-Kollegen zu sein. Denn die Kamera ist die Frage, und nicht einverstanden sein ist schwer.

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