Das gekürzte Jahr

Wir schreiben den 4. Dezember, es ist der zweite Advent. Heute Abend sendet RTL seinen großen Jahresrückblick unter dem Titel „2011! Menschen, Bilder, Emotionen“. Heute? Ja, heute. Irgendwie ist das TV-Jahre ein bisschen durcheinander gekommen. So wie der Jahreslauf überhaupt.

Früher war alles besser. So abgedroschen das klingen mag, aber ein bisschen stimmt es auch. Früher war der Jahreslauf noch ein Jahreslauf. Der kommt zunehmend ins Rutschen. Immer früher immer mehr – so könnte man es sagen. Jedes Jahr kommt das Jahresende schneller, und das ist nicht nur ein Gefühl. Dass die ersten Lebkuchen schon im Herbst in die Geschäfte kamen, das war früher auch so. Aber immerhin dauerte es im Allgemeinen bis nach den Herbstferien, bis der Advent in die Supermärkte einzog. Heute kommt das Lebkuchen-Angebot bereits vor den Herbstferien, gefühlt am Ende der Sommerferien, in die Regale. Zum Glück kann man es links liegen lassen.

Ähnlich ist es mit den Weihnachtsmärkten und Basaren. Es ist gute Tradition, den Toten- oder Ewigkeitssonntag abzuwarten, bis die Weihnachtsbeleuchtung angeknipst, der Weihnachtsmarkt eröffnet und der erste Basar veranstaltet wird. Erst mit der stillen Woche aus Volkstrauertag, Buß- und Bettag und Totensonntag endet das Kirchenjahr, das mit dem Advent neu beginnt. Doch auch diese Grenze ist längst verwischt.

Blieb bisher noch der TV-Kalender. Der war es jedes Jahr gleich, und das war auch gut so. An den vier Adventssonntag übertrugen die TV-Sender am Spätnachmittag oder vor den Hauptnachrichten zehn Minuten Adventssingen. Zu Weihnachten gab und gibt es die TV-Mehrteiler, zwangsläufig auch Immenhof- und Sissi-Filme, oder Filmklassiker wie „Vom Winde verweht“ oder „Doktor Schiwago“. Und zwischen den Jahren folgten die Jahresrückblicke. Jeder TV-Sender, der etwas auf sich hält, hat einen.

Vielleicht ist das der Grund, warum die Sender versuchen, den Strauß der Jahresrückblicke auseinander zu pflücken. Offenbar reichen die paar Tage zwischen Weihnachten und Silvester nicht aus, damit jeder glaubt, seinen Jahresrückblick publikumswirksam präsentieren zu können. Und so kürzt RTL mal kurz das Jahr um drei Wochen. Aber das kann man ja links liegen lassen, wenn es einem nicht passt. Toll muss man es trotzdem nicht finden.

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