Afrika hautnah

Wer Kamerun mit öffentlichen Verkehrsmitteln durchfährt, lernt das Land hautnah kennen. Protokoll einer Reise von Douala nach Maroua. Das Abenteuer Afrika auf 1500 Kilometern.

Reifenpanne - Alltag bei einer Fahrt durch Kamerun.
Reifenpanne – Alltag bei einer Fahrt durch Kamerun.

Montag, 13 Uhr, Der Fahrer streift sich weiße Handschuhe über, dreht den Zündschlüssel und steuert den großen Bus vorsichtig durch die tiefen Schlaglöcher auf dem Busbahnhof von Douala. Komfortabel beginnt meine Reise. Die erste Etappe, 267 Kilometer bis zur Hauptstadt Yaoundé, lege ich mit dem „Guarantee Express“ zurück. Der Rekord der Busse liegt bei zwei Stunden. Damit schlagen sie die Eisenbahn klar, die für dieselbe Distanz viereinhalb Stunden braucht. Mit Tempo 130 rast der Bus über die gut ausgebaute Piste.

Montag, 15.30 Uhr: Ankunft in Youndé, mit einem Taxi geht es vom Busbahnhof zum Bahnhof. Der Fahrer hält immer an, wenn Fahrgäste am Straßenrand warten. Das ist in Afrika in vielen Ländern so üblich. Die Menschen rufen dem Chauffeur ihr Ziel zu, liegt es auf seiner Strecke, winkt er die Wartenden lässig mit dem Daumen in den Wagen. Bei 125 Franc (17 Cent) pro Fahrgast versucht der Fahrer, stets vier Fahrgäste zu haben, damit sich die Tour lohnt.

Auf dem Bahnhof steht der Zug bereit. Frühes Erscheinen sichert die besten Plätze. Und auch den Platz muss ich noch kaufen, von den Gepäckträgern, die alle Bänke besetzt halten, um mit dem Weiterverkauf 200 Francs pro Person zu verdienen. Die Waggons der zweiten Klasse – ich verschmähe in einem Anfall von Wahnsinn Liegewagen und erste Klasse, um so zu reisen wie die Kameruner, sind immer brechend voll. Die Menschen sitzen sogar auf den Rückenlehnen zwischen den Bänken und auf dem Fußboden. Wer keinen Platz mehr im Zug findet, steigt auf der Dach. Weil der Raum zwischen den Sitzung und in den Gepäcknetzen schon hoffnungslos vollgestopft ist, muss ich Rucksack, Kameratasche und die Tasche mit den 1000 Kondomen, die für einen Arzt in Maroua bestimmt sind, auf den Knien balancieren. Keine rosigen Aussichten, liegen doch 13 Stunden Bahnfahrt vor mir. Für 607 Kilometer.

Montag, 18.40 Uhr: Die Lokomotive setzt sich zögernd in Bewegung. Die Waggons rumpeln so heftig über die Weichen, dass die Fahrgäste unfreiwillig mitwippen. „Der traditionelle Tanz“ witzelt Gendarm Timothée Toko, der mir gegenüber sitzt. Gemeinsam mit zwei Kollegen ist er auf der Heimreise von einem Einsatz gegen Motorrad-Banditen. „Schlaf nicht im Zug“ hatten mir Freunde geraten und vor Dieben gewarnt. Doch eingerahmt von drei kräftig gebauten Gendarmen in Uniform fühle ich mich sicher. Auch nachdem sich herausstellt, dass das Licht im Zug nicht funktioniert. Und so zuckeln wir in völliger Dunkelheit durch die Nacht. Irgendwann kämpft sich sogar ein Schaffner durch das Gewühl und kontrolliert die Fahrscheine.

Montag, 20.10 Uhr: Kreischend bleibt der Zug auf freier Strecke stehen. Irgendjemand hat die Notbremse gezogen. Timothée Toko murmelt etwas von „Vandalismus und Banditentum“. Dann heißt es, einem Fahrgast sei schlecht geworden. Es ist nicht das letzte Mal, dass die Notbremse greift. Die Leute zerren immer wieder aus Spaß oder Langeweile am Griff.

Dienstag, 5 Uhr: „L’eau, l’eau, l’eau.“ Mit durchdringendem Geheul bieten Frauen draußen am Bahndamm Wasser an, als der Zug in Tibati hält. Das lautstarke Angebot weckt mich auf, nachdem ich gerade ein wenig eingenickt war. So gut es geht, wenn man es sich nicht mal ein bisschen bequem machen kann. Im Halbschlaf nehme ich wahr, dass der Zug weiterrollt.

Gespräch unter Männern am Bahnhof von Ngaoundéré.

Dienstag, 8 Uhr: Ankunft in Ngaoundéré. Die Stadt ist Endstation der Transkamerunbahn. Vor hier aus geht es nur noch mit Buschtaxis weiter, Kleinbussen mit vier Sitzreihen, auf denen jeweils vier Fahrgäste sitzen – normalerweise. Doch die Fahrer quetschen gern noch ein, zwei Leute mehr auf die Bänke. Und so wird die nächste Etappe, 296 Kilometer von Ngaoundéré nach Garoua, zur Strapaze.

Ganz am Fenster erwische ich gerade noch ein kleines Stückchen Bank. Nach 13 Stunden im Zug eine Qual für meine malträtierte Sitzfläche. Außerdem lässt sich die Heizung nicht ausstellen, während draußen das Thermometer auf 33 Grad klettert. Über drei Stunden dauert die Tour, ich sitze eingequetscht zwischen meiner Banknachbarin und dem Gepäck, stets fürchtend, dass die Kondome bei der Hitze schmelzen. Da bleibt kaum noch Interesse für die Landschaft: flaches Grasland, in dem kegelförmige Felsen liegen, dazwischen Häuser mit Zipfelmützendächern aus Gras. Jungen treiben Zebu-Rinder auf die Weide. Als das Buchtaxi die Serpentinen zum Berg Majo Alim erklimmt, flüchten Paviane von der Straße.

Dienstag, 14 Uhr: Endlich! Ich habe Garoua erreicht, ich kann nicht mehr sitzen. Nach 25 Stunden ohne Händewaschen, ohne Dusche, bin ich gargekocht. Ich kann es kaum erwarten, ins Hotel zu kommen, wo ich erst einmal eine Nacht ausruhen will. Doch welche Enttäuschung: Es gibt mal wieder kein Wasser. Auch das kommt in Afrika in vielen Ländern immer wieder vor. Um 18 Uhr soll das Wasser wieder da sein, verspricht der Mann an der Rezeption. Immerhin bietet eine Klimaanlage im Zimmer ein bisschen Abkühlung. Ich ruhe mich aus, gehe essen, trinke dazu ein heimisches Beaufort-Bier und lege mich um 23 Uhr schlafen. Jetzt gibt es auch wieder Wasser.

Joseph Palou und sein Buschtaxi made in Germany.

Mittwoch, 4 Uhr: Der Onkel eines kamerunischen Bekannten holt mich ab. Joseph Palou, Gendarm im Ruhestand, betätigt sich als Buschtaxi-Unternehmer, fährt aber nur eine Tour am Tag. Jeden Morgen startet er, wenn der Muezzin um 4.30 Uhr die Gläubigen zum ersten Morgengebet weckt. Erst fährt Palou tanken – der Tankwart rollt gerade seine Matte zusammen, auf der nachts vor dem Kassenhäuschen schläft – dann sammelt der Onkel seine Fahrgäste ein. Vor den Häusern seiner Stammkunden hupt er kräftig und weckt damit gleich die ganze Nachbarschaft auf. Dann geht es weiter Richtung Norden. Zum Dorf Kaélé, Palous täglichem Ziel, und nach Mindif. Hier ist die Piste hart und geriffelt wie ein Waschbrett, roter Staub hüllt mich ein. Das Thermometer klettert auf 48 Grad, geregnet hat es schon seit acht Monaten nicht mehr. Ich habe die Sahelzone erreicht. Majestätisch steigt vor mit der „Hundezahn“ von Mindif auf, ein riesiger Felsen, der aus der tischebenen Landschaft ragt. Im Tourismus-Zentrum – einem Häuschen mit nur einem Büro darin – empfängt mich Yahya Amadou. Er hat deutsch studiert und ist glücklich, seine Sprachkenntnisse anwenden zu können. Von Amadou und dem Führer Babaya betreut, erkunde ich Mindif, den Felsen und besuche die Handwerker am Fuße des „Hundezahns“.

Der Hundezahn von Mindif.
Der Hundezahn von Mindif.

Mittwoch, 16 Uhr: Das Auto ist da, mit dem ich nach Maroua fahren will. Ein altersschwacher Pick up Peugeot. Für 200 Francs extra bekomme ich einen Platz in der Fahrerkabine, bleibt mir das Staubbad auf der Pritsche erspart. Der Wagen hat keine Kupplung mehr, und der Chauffeur muss in jedem dritten Dorf Wasser nachgießen. Am Stadtrand von Maroua angekommen, ringsum nur ausgedörrte Steppe, gibt es nur Motorradtaxen. Das sind Kleinkrafträder, auf denen zwei Fahrgäste befördert werden. Der Fahrer rutscht auf den Tank, so dass die beiden Sitze frei sind. Und so erreiche ich mit umgehängtem Gepäck, von Staub überzogen und verschwitzt, Maroua. 51 Stunden und 1500 Kilometer liegen hinter, drei Tage in der Stadt und ein Ausflug in den Waza-Nationalpark vor mir.

Tankstelle in Kamerun
Tankstelle in Kamerun.

 

So wird eine Reifenpanne behoben.
So wird eine Reifenpanne behoben.

Anmerkung zu den Fotos: Es sind allesamt eingescannte Dias, deren Qualität leider nicht allzu gut ist. Das ist schade, aber da ich die Reise 1995 unternommen habe, existieren keine Digitalfotos.

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